Am Ende bleibt der Eindruck einer Stadt voll Charakter und Kontraste

Berlin. Ganze fünf Tage waren wir, die Jahrgangsstufe 2, dort, wandelten durch Zeitgeschichte, Berliner Kultur und eine Kälte, die man Mitte September eigentlich nicht erwartet.

Auf der Zugfahrt lachen wir, schmunzeln über den Musikgeschmack der anderen, sind voll Vorfreude auf fünf Tage geballten Erlebens und Beisammenseins. Angekommen begeben wir uns auf die Spuren einer deutschen Vergangenheit der Radikalität und Unbegreiflichkeit, besuchen zunächst die Mahnmale für die im Nationalsozialismus ermordeten Homosexuellen, Juden, Sinti und Roma. Wir sprechen über Homophobie und Antisemitismus. Betretene Stille über das, was war und heute teilweise immer noch ist.

Minuten später sind wir am Brandenburger Tor und machen euphorische Selfies, Gruppenbilder. Ein harter Bruch. Wir besuchen die Ausstellung „Topografie des Terrors“. Schilderungen der Nazi-Barbarei, die Porträts einzelner Opfer, interne Schreiben des Regimes. Alles untermalt von unzähligen Bildern und der dumpfen Stimme des Audioguides, welche aus den Handykopfhörern dringt. Es ist ein Eintauchen in eine fremde Brutalität, die man aus dem Geschichtsunterricht kennt, die hier aber ganz anders Gestalt annimmt und erschreckend plastisch wird. Die Geschichte wirkt in Berlin fast greifbar nah. Ebenso nah scheint auf einmal die Politik, als wir im Deutschen Bundestag von der Tribüne aus einer Plenarsitzung folgen. Unten sitzen bekannte und weniger bekannte Persönlichkeiten und so spannend es ist, Robert Habeck zu lauschen, kommen wir doch nicht umhin, uns zu fragen, was nach einer Stunde der gegenseitigen Beschuldigung und eigenen Rechtfertigung eigentlich bleibt. Trotzdem haben wir ein Stück Politik erlebt. Auszüge der Rede Habecks kommen später in den Tagesthemen – wir waren dabei.

Wir besuchen die Gedenkstätte Berliner Mauer und die zugehörigen Dokumentationszentren. Auf dem Gelände steht eine große Tafel mit den Gesichtern und Namen der Menschen, die an der Mauer ihr Leben verloren haben. Viele von ihnen sind kaum älter als wir selbst. Bei denen, deren Geburts- oder Todestage nicht weit zurückliegen, finden sich weiße Rosen, die alle langsam verwelken. Mitschüler erzählen von den eigenen familiären Berührungspunkten mit dem geteilten Deutschland, mit der Mauer.

Abends sitzen wir in den Zimmern beisammen und trinken Tee. Wir gehen ins Kabarett. Auf dem Gehsteig vor dem Hotel liegt eine tote Ratte – am nächsten Tag ist sie nicht mehr da. Während der Freizeit trinken wir überteuerten Kaffee, erkunden die Stadt und die zahlreichen Museen, kaufen Souvenirs und machen Erinnerungsfotos.

Am Ende bleibt der Eindruck einer Stadt voll Charakter und Kontraste. So ist das glänzende Regierungsviertel nicht unweit des Bahnhofs, vor dem man um Geld angehalten wird; nicht unweit von Mülleimern, in denen Menschen nach Pfandflaschen suchen. Die verschiedensten Restaurants reihen sich aneinander, ebenso wie sich auch die Stadtviertel stark unterscheiden und doch eine Einheit bilden. Nicht zuletzt erweckt Berlin den Eindruck, man sitze dort gewissermaßen am Hebel der Zeit, ganz nah an Vergangenem und Gegenwärtigem. Am Ende ist es vielleicht gerade die große Diversität, Bandbreite und Bedeutung Berlins, in der sich ein jeder irgendwo wiederfinden kann. (Ella Edelmann, JS2)